11. Michael Haherfellner to Julie Diehl, May 1, 1907 Wien, den 1. Mai 1907 Liebe Julie! Deinen lieben langen und ausführlichen Brief haben wir mit großer Freude erhalten. Entschuldige, daß ich 5 dir, diesen so lange nicht beantwortet habe, die Ursache war verscheidener Art, die viele Arbeit in Abwicklung meiner Kohlenfelder dann war meine Frau wieder sehr krank und so manches Andere. Also du hast meinen Brief zu Weihnachten erhalten 10 worüber du und deine kieben Kinder so erfreut gewesen seid, daß freut uns sehr. Du bist eine recht glückliche Mutter, deine Kinder scheinen dich sehr zu lieben daß muß dir Freude machen wie ich aus deinen Schreiben entnehme seid Ihr dort alle zusammen eine große, glückliche Familie? 15 daß muß Euch das Leben angenehm machen. In so einem guten Einvernehmen im fremden Land zu leben, ersetzt dir einen großen Teil deiner Heimath. dir liebe Julie geht es also sehr gut daß ist angenehm zu hören und freut uns wirklich wenn du trotzdem öfter traurig bist, liebe Julie 20 so begreifen wir auch dieses und wir glauben die Ursache zu erraten. es sind die Erinnerungen an deinen lieben, guten Mann, nicht wahr? die werden recht oft wach- [Pg. 2] umsomehr, da er für dich und deinen Kindern so ein guter Mann und Vater war daß du sagen konntest Ihr 25 ward die Glücklichsten, daß können wenig Leute sagen.___ der Name “Bismark” in Deutschland, wird dir auch bekannt sein, dieser hat das deutsche Reich gegründet, hat es von Nichts, bis zum Fürsten gebracht er würde von einer hohen Persönlichkeit über sein Glück befragt da sagte er, er habe im 30 Leben nur 3 glückliche Stunden gehabt. Es geht also deinen kindern auch recht gut, diese haben eine Käserei? daß muß sich gut rentieren. Und mit dem kleinen Flachs= köpfchen, Eueren Liebling habt Ihr alle eine große Freude daß glaube ich gerne wir freuen uns schon auf ihre Fotografie 35 Unsere Fotografie bekommst du später. Du hast schon eine große Farm 240 Acker! ein Acker ist etwas kleiner als bei uns ein Joch ist—bei uns sind weniger Landwirthe welche einen so großen Besitz haben dann ist das Erträgniss klein= weil hier ganz anders gearbeitet wird-dazu sind auch hier 40 die Arbeistleute shon zu theuer und nur acht Stunden Arbeits= zeit. mir ist daß ganz Fremd, mit so wenig Leute einen so großem Besitz zu beherrschen, die Maschinen müßen ja noch bedient werden. __ Ihr seit dort sehr viele Hehenberger und Diehl, könntet blad einen ganzen Staat gründen! Ich möchte 50 Euch alle gerne besuchen, und mir deinen großen Besitz besichtigen aber das große Hoffen sollte nicht sein__oder ich um 30 Jahren jünger! hier weiß ich nur den einen Vetter [Pg. 3] Hehenberger in der Scharten der Gemeinde Sekretär war mit diesen habe ich verkehrt leider ist auch dieser gestorben mein Bruder 55 war Kränklich ist vor cirka 30 Jahre fort, seither weiß ich nichts auf jedenfall, auch todt. Weisst du liebe Julie die Adresse noch von dem Haus wo Ihr gewohnt habt? __ ich kann mich nicht mehr erinnern und den Mädchennamen von deiner Mutter? wann ich dieses weiß und nach Wels komme würde ich in die Scharten fahren 60 und mich noch näher erkündigen ob noch Hehenberger und noch Verwandte von deiner Mutter dort leben. Den Mathias geht es dort auch gut den Kindern von Michael auch, daß ist wirklich sehr erfreulich. Wenn du hier geblieben wärst, würdest du auch keine Taglöhnersfrau sein wie viele weiß ich daß sie wenig oder nichts 65 gehabt haben und haben veiche Grundbesitzer und Müllner geheiratet daßelbe hätte auch bei dir der Fall sein können alles ist Zufall und Glück. Es ist hier heute auch ganz anders. mehr Steuern größere Arbeitslöhn aber sonst ist alles gut geregelt und überall alles verschönert. Wegen zwei Schweizer 70 habe ich mich ungesehen, diese sind hier vas die verläßlichen sind in den Meierhöfen der Klöster bei den großen Herrschaften und einzelnen großen bauernhöfen angestellt sind sehr gut gehalten und bezahlt die gehn nicht nach Amerika. Es gehen nur Ungarn, Croaten, viele suchen sich davon in Amerika Geld zu 75 verdienen dann kommen sie wieder zurück ___ von deisen ist aber Niemand anzuempfehlen sie sind faul und unverläßlich, solche Leute könnte ich dir nicht anrathen! __ hätte ich noch [Pg. 4] Besitzungen so würde ich zwei solche Schweizer gut aus= grabieren und wenn ich zu ihrer Tüchtigkeit überzeugt wäre, 80 sie die dann schicken leider habe ich keinen Besitz mehr, will mir auch keinen mehr nehmen, habe viele Geschäfte und Besitzungen gehabt, auch sehr viele Sorgen wenn ich meine Sachen jetzt abge= wickelt habe, will ich dann Ruhe haben. Es tut mir sehr leid, daß ich dir diesen Diesnt, einen tüchtigen Schweizer zu schicken, nicht 85 erweisen kann, wie gerne möchte ich dir es thun. Für deine Briefe liebe Julie bezahle ich nichts, ich hoffe daß auch meine Briefe richtig markirt sind, und daß auch du nichts dafür nachzuzahlen hast bitte schreibe mir auch darüber! ja! hier vird ein Brief nach Amerika auf den Post gewogen und nach dem gevicht ist dann 90 zuzahlen. Wein habt Ihr auch einen guten, ja? Hier haben vir sehr guten Wein, Grinzinger Nahsberger Gumpoldskirchner, Vöslauer, Pfaffstättner und andere, diese Weine sind berühmt aber auch sehr guten Äpfelmost. In Linz war jetzt eine Kost=Aus= stellung nur für Most- von der Scharten, Efferding, St. Florian 95 sind viele ausgezeichnet vorden, wegen ihren guten Most. __ habt Ihr dort keinen Apfelmost? der ist so gesund daß er hier von der, Ärzten den kranken verschreiben wird. Wir haben in der Zeitung gelesen, daß in Amerika heuer ausnahmsveise, die Hühner so viele Eier gelegt haben, wie noch nie diese wurden 100 nach New=York geschickt! –daß wird dir eine Freude gemacht haben bei uns sind die Eier viel theuerer wie bei Euch, 35 Stück kosten einen Gulden! __Hast du alle deine Shweine gut verkauft! ja [Pg. 5] habt Ihr heuer auch so ein schlechter Frühjahr? vir haben fortgesetzt kaltes Wetter und Regen, im Geberige sogar noch Schneefülle, und 105 so zwar, dass in manchen Gegenden der Verkehr stockt! __ und fur[cht] bare Überschwemmungen, auch Stürme die Telegrafenverbind[ung] Wien-Triest muss unterbleiben im Salzburg stürmt und schne[it] es wie mitten im Winter, das Wetter hat schon großen Schaden ang[e] richtet, auch die Feldfrüchte und Obstbäume sind in Gefahr, Ober= 110 österreich ist auch von diesen Wetter betroffen, die Obstbäume leiden es wäre dies ein großer Schaden Für die Mostgevinnung, den bekann[t] ist der Oberösterreichische Most der Beste! das wird wieder eine Theuerung in den Lebensmitteln machen! du hast vieleicht im eueren Zeitungen gelesen, das der Weiner-Männer-Gesang-Verein= bestehend aus 115 300 herrn und 40 Frauen sich auf der Reise nach Amerika befinden! in New-York im Hotel “Rojal” vohnen sie! die Amerikaner freuen, schon sehr auf die “deutschen Wiener Sänger” die drüben auf das herzlichs[t] empfangen verden! diese sind um 21. April hier veg, und sind derzeit au[f] hoher See! auf dem großen Atlandische Ocean! venn sie nur gutes 120 Wetter haben keine Stürme! hast du weit nach New-York? Nun schliesse ich und hofen und vünschen, das dich und alle deine Lieben, mein brief in bester Gesundheit antreffen wird. Vas mich betrifft, geht es noch mit meiner Gesundheit aber bei meiner Frau, vill es gar nicht mehr gut verden. Mit recht 125 herzlichen Grüßen an dich und deine Kinder so auch an der klein[e] muntere Flachsköpfchen dein Vetter Mich Haherfellner [Pg. 6] sich meinen Grüßen in herzlicher Veise an, es hat sie sehr gefreut, daß du ihr separat geschrieben hast sie 130 wird dir auch schreiben wenn sie sich mehr erholt hast._ Zum Schlusse vünschen wir dir und allen den deinen Fröhliche Pfingstfeiertage! Onkel Georg ist schon lange todt und von seinen Söhnen weiß ich nichts!_ Es grüßt dich nochmals recht 135 herzlich dein Cousin Michael Haherfeller This page feels very out of place. It starts as if it were a continuation from another letter, but the date fits—Whitsunday 1907 would’ve been mid June, so perhaps it’s just an unusual start to this page.